
Mit fortschreitender Neugier, Freude und Begeisterung entdecken wir zivilisierten Menschen inzwischen wieder, dass vieles, was da so wild in Wäldern und Gärten aus der Erde wächst und lange Zeit als „Unkraut“ von uns verschmäht und sogar bekämpft wurde, tatsächlich urgesunde Nahrung für uns ist. Wildkräuter, Wildgemüse und wildgewachsenes Obst erleben ein feierliches Comeback auf unsere Teller. Kränkliche Menschen genesen an ihrer Heilkraft, Sportler schwören auf ihre vitalisierende und leistungssteigernde Wirkung und Forscher belegen : der zähe, unverzüchtete Wildwuchs enthält ein Vielfaches der Nährstoffe, die unser Kulturgemüse uns bieten kann. Viele gute Gründe also dafür, sich ein wenig damit vertraut zu machen, was die Wildnis uns an Essbarem anbietet und es in unsere Ernährung aufzunehmen.
Neben ihrem Reichtum an Nährstoffen, Vitaminen und gesundheitsförderlichen sekundären Pflanzenstoffen, leisten die essbaren Wildpflanzen aber auch noch einen weiteren Dienst an unserer Gesunderhaltung, den ich, insbesondere für Kinder, als unschätzbar wertvoll erachte :
Die Vielfalt des Geschmacks.
Die Geschmackspalette im Supermarkt-Nahrungsangebot ist sehr begrenzt, selbst wenn man viel Obst und Gemüse isst. Von den meisten Gemüsen und Früchten gibt es heute nur noch wenig Sorten, die letztlich alle ziemlich ähnlich schmecken.
Wir glauben, dass wir das selbst so gewollt hätten, weil unser Körper eben lieber süß als bitter, lieber mild als herb mag. Tatsächlich stimmt das so aber nicht. Unser Körper hat sehr wohl ein natürliches Bedürfnis nach geschmacklicher Vielfalt. Denn geschmackliche Vielfalt bedeutet, zumindest im ursprünglichen, natürlichen Nahrungsangebot, auch eine Vielfalt an Nährstoffen, aus denen der Körper schöpfen kann. Jedes Kräutlein kommt aus Mutter Naturs Schoß mit einer eigenen breitgefächerten und individuell aufeinander abgestimmten Nährstoffvielfalt daher, die durch Kultivierung, - Züchtung, Düngung, Beikrautvermeidung, usw. allerdings nachlässt.
Unserem Körper fällt der Mangel an Geschmack (und Nährstoffvielfalt) sehr wohl auf und so versuchen wir, diesen Mangel zu kompensieren. Wir zuckern, salzen und würzen unsere Speisen meist kräftig, geben Fett oder gar künstliche Aromen oder Geschmacksverstärker bei, um unser natürliches Bedürfnis nach geschmacklicher Vielfalt und Intensität zu befriedigen.
- Dass es das irgendwie nicht ist, begreifen wir nun allerdings auch langsam... Wir müssen uns eingestehen, dass wir ohne Zucker, Salz und Co kaum noch Befriedigung beim Essen verspüren, obwohl wir inzwischen wissen, dass sie uns gesundheitlich nicht gut bekommen, bzw. uns sogar erheblich schaden und krank machen.
Unsere Kinder sind nun aber von kleinauf mit dieser Fehlernährung konfrontiert und werden, sofern wir nicht eingreifen, wie von selbst in die „Geschmacksverirrung“ hineingeleitet, sind spätestens im Alter von drei Jahren bereits „Zuckerjunkies“ und rühren gesunde Nahrungsmittel kaum noch freiwillig an.
Was also tun?
Jegliche Süßigkeiten und Fertigprodukte verbieten?
Das scheint in unserer gegenwärtigen Welt kaum möglich, wäre mit einigen sozialen Problemen verbunden, die den Kindern sicherlich auch nicht gut tun, - ist aber auch gar nicht nötig. Unser Ansatz sollte ein anderer sein : Wir können, als Mütter, als Eltern, sehr gut dafür sorgen, dass unsere Kinder ihr natürliches Geschmacksempfinden gesund entwickeln und bewahren können. Der wichtigste Schlüssel dazu sind essbare Wildpflanzen. Unsere heimische Natur bietet unzählige leckere und gesunde Wildkräuter, die einen schier unendlichen Reichtum von unterschiedlichsten Geschmäckern erlebbar machen.
Erwiesenermaßen wirkt sich das, was eine stillende Frau isst, geschmacklich auf ihre Milch aus und prägt so bereits geschmackliche Vorlieben des Kindes. Ein täglicher Wildkräuter-Smoothie während der Stillzeit z.B., versorgt Mutter, Milch und Kind also nicht nur mit lauter wertvollen Nährstoffen, sondern auch mit einem bombastischen Arsenal an verschiedenen Geschmackskomponenten. :-)
Mit meiner kleinen Tochter habe ich die Erfahrung gemacht, dass sie alles gern genascht hat, was ich ihr beim Waldspaziergang oder Streifzug durch den Garten an Kräutern angeboten habe. Sehr schnell und sehr genau hat sie sich gemerkt, welche Pflänzchen wir da so gepflückt und gegessen haben und hat sie sich dann, mit echter Begeisterung, fortan auch selbst gepflückt und einverleibt, sehr oft mit einem zufriedenen „Lecker!“ auf den kauenden Strahlebäckchen. :-)
Ich habe zunächst selbst etwas ungläubig gestaunt, als ihr selbst sehr eigentümlich schmeckende Pflänzchen wie Löwenzahn, Gundelrebe, Schaumkraut und sogar der unfassbar bittere Günsel, ohne die geringste Regung irgendeiner Abscheu, gemundet haben. Das hat mir deutlich vor Augen geführt, dass es tatsächlich keine angeborene Abscheu gegen Bitteres oder Herbes gibt! Sicherlich wird es eine angeborene, natürliche Abscheu gegen giftige Pflanzen geben, - aber das haben wir natürlich nie ausprobiert.
Selbstverständlich liebt auch meine Tochter heute Süßes, freut sich über Schokolade, Eis, Kekse und Kuchen und isst auch gern mal Nudeln oder Pommes Frites. Aber sie mag genauso gern Sauerampfer, Gänseblümchen, Gundermann, Schafgarbe, Bärlauch, Vogelmiere und viele andere Kräuter, mit denen sie von kleinauf aufwächst und vertraut ist und greift immer glücklich zu, wenn sie diese findet.
Generell lässt sie sich auf die unterschiedlichsten Geschmacksnuancen ein, ohne irgendetwas daran komisch oder „bäh“ zu finden und zieht naturbelassene Frischkost der verarbeiteten Variante meistens vor. Wenn ich mir Gemüse dünste oder Suppe koche, will sie davon nichts mitessen, sondern isst die Möhren, Paprika, Champignons, Brokkoli, usw. lieber roh. Sogar Salat isst sie oft lieber ohne Dressing, - sie stopft sich das Blattgrün dann einfach so in den Mund und findet es köstlich. Sie besteht eben auf den ganzen, urtümlichen Geschmack! :-)
Das Wildpflanzen-Naschen in der frühen Kindheit hat also dazu geführt, dass sie eine sehr breitgefächerte Palette an Geschmäckern mag und genießen kann.
Wir Erwachsenen müssen uns meist erst wieder darauf „zurücktrainieren“, aber für den kleinen Menschen, wie er geboren ist, ist es ganz normal, all die verschiedenen Geschmäcker anzunehmen und zu mögen, die Mutter Natur für uns gemacht hat.
Alles, was wir tun müssen, um unseren Kindern das zu bewahren, ist, ihnen diese naturgegebene Vielfalt nicht vorzuenthalten! ;-)
Mein Tip :
Ein sehr empfehlenswertes Buch, um sich mit der Vielfalt unserer heimischen Wildkräuter vertraut zu machen und sie zuverlässig bestimmen zu können, ist der Kosmos -
Naturführer "Was blüht denn da?".
Während viele andere Kräuterbücher sich auf eine kleinere Auswahl von Pflanzenportraits beschränken, findet man hier die nahezu ganze Palette heimischer Wildkräuter.
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Gitta (Sonntag, 26 März 2017 12:35)
Hallo Eldy, sehr schön beschrieben. Wie einfach wäre es für uns, wenn wir als Kleinkinder eben nicht auf das süss oder was auch immer geprägt wurden. Ich musste es erst wieder mühsam lernen, etwas Bitteres lecker zu finden. Gottlob habe ich es gelernt! Alles Liebe und danke für den Artikel. Werde ihn teilen. Gitta
Patrice (Dienstag, 04 April 2017 16:12)
Liebe Eldy. Ich danke Dir für diese Zeilen. Ich bin leider noch nicht ganz so fit, was das Thema Wildkräuter angeht.
Kannst Du ein Buch empfehlen, was man z.b. mitnehmen kann.
Liebe Grüße
Eldy Cocou (Dienstag, 04 April 2017 22:20)
Hallo liebe Patrice! :-)
Ich würde Dir den Kosmos Naturführer "Was blüht denn da?" empfehlen.
Habe das Buch nun auch mal oben im Beitrag verlinkt.
Das recht umfangreiche Taschenbuch passt zwar nicht grad in die Hosentasche, ist und bleibt aber mein unangefochtener Favorit, um Wildpflanzen wirklich zuverlässig bestimmen zu können. Es erfasst weit über 800 Pflanzen, die anhand sehr guter, detailgenauer Zeichnungen und Detailbeschreibungen, sehr zuverlässig erkannt und voneinander unterschieden werden können. Eingeteilt sind die Pflanzen nach Blütenfarben, sowie Anzahl und Art der Blätter, so dass man, trotz der Vielzahl der Pflanzen, nicht allzulange suchen muss. Zu jeder Pflanze gibt es eine kurze, gute Info über ihre Merkmale, Standorte, Blütezeit, Verwendung und Inhaltsstoffe und ob (und wenn ja, warum und inwiefern) sie giftig ist.
Sehr gut an diesem Buch finde ich, dass man lernt auf Details zu achten und seine Wahrnehmung dementsprechend zu schulen und zu verfeinern.
Wenn Du Dich mit einer Pflanze dann erstmal vertraut gemacht, sie mal gesehen, angefasst, gerochen usw hast, wirst Du sie zukünftig auch gut wiedererkennen und kaum mehr glauben können, dass Dir "das Meer von grünen Blättern" einmal so undurchdringlich erschien. :-)
Ich wünsche Dir viel Freude bei Deinen Entdeckungstouren! :-)